Sauberes Wasser ist Leben

Quer durch die gesamte Gesellschaft, von Kommunen über Unternehmen bis zum Privathaushalt, ist der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen heute ein Thema. Einer der wertvollsten Rohstoffe ist Wasser – es geht darum, den Verbrauch zu reduzieren, Schmutzwasser möglichst wieder aufzubereiten und Verunreinigungen zu vermeiden. Eine zentrale Herausforderung, die aktuell und in Zukunft eine große Rolle spielt, ist Mikroplastik. difference sprach mit Leandra Hamann (Fraunhofer UMSICHT) über die Chancen der Bionik und darüber, was Waschmaschinen von Köcherfliegenlarven lernen können.

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Woher kommt Ihr Interesse an Wasser und der Auseinandersetzung mit Mikroplastik?

Bei mir ist es der Klassiker: Biologie hat mir schon in der Schule viel Spaß gemacht. Außerdem macht mein Vater Naturdokumentationen, was zu Hause immer wieder interessante Gespräche ergibt. Die Materie Wasser war auch schon immer meins, ich habe früh mit Tauchen und Surfen angefangen und schwimme sehr gerne. Das Biologiestudium in Köln war also logische Konsequenz meiner Erfahrungen bis dahin. Ich habe aber im Hauptstudium festgestellt, dass mir der praktische Nutzen fehlt. Es ist interessant, Arten zu bestimmen, zu wissen, wie sie verwandt sind und funktionieren und Grundlagenforschung zu betreiben. Die Frage für mich war aber, was wir und die Gesellschaft damit anfangen können. So kam die Wendung hin zur Bionik – auch hier setzen wir uns mit Tieren auseinander, aber mit der Intention herauszufinden, was wir von ihnen lernen können. Schließlich habe ich für meine Masterarbeit ein Thema gesucht, und Mikroplastik kam auf. 2014 war das noch kein so heißes Thema wie heute, aber das Fraunhofer-Institut hat mir angeboten, zum Thema Filtrationslösungen zu arbeiten. Für mich war die Verbindung der Bionik und einer Umweltproblematik besonders spannend.

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Was ist der Lösungsansatz, den Sie verfolgen?

Suspensionsfresser filtern aus Flüssigkeiten schwebende Partikel wie Algen oder Krill als Nahrung heraus – und können auch Mikroplastik aufnehmen. Wenn wir uns also von ihnen Filtermechanismen abschauen können, die dafür
sorgen, dass Mikroplastik nicht mehr ins Wasser gelangt, wäre viel gewonnen.

Für die Masterarbeit habe ich zunächst untersucht, welche Tiere als Vorbild infrage kommen. Dazu zählen Muscheln, Schwämme, Wale, Seegurken oder auch Flamingos. Diese Tierarten habe ich klassifiziert, 24 ausgewählt und sortiert nach biologischen und technischen Parametern. Wie funktioniert der jeweilige Filtermechanismus, welche Techniken werden verwendet, was können wir nutzen? Der Walhai beispielsweise hat strömungsoptimierende Strukturen im Maul, der Flamingo nutzt feine Härchen, die Fächerkoralle arbeitet mit Maschenweite und Strömungswiderstand.

Und wie haben Sie den Gedanken konkret umgesetzt?

Im nächsten Schritt habe ich überlegt, wo der Filter eingesetzt werden soll und mich mit der Waschmaschine genauer auseinandergesetzt. Synthetische Textilfasern haben mit einem geschätzten Anteil von 5.200 Tonnen pro Jahr in Deutschland erhebliche Auswirkungen mit Blick auf Mikroplastikemissionen. Die Kernfragen waren nun, wie bisher gefiltert wird, wie ein Mikroplastikfilter beschaffen sein muss und wie viel Platz zur Verfügung steht. In einer Fallstudie fiel meine Wahl auf die Köcherfliegenlarve: Sie spannt in Fließgewässern Netze aus einem seidigen Material zwischen Steine und Stöckchen, darin verfangen sich Nahrungspartikel, die sie fressen kann. Erste Berechnungen haben gezeigt, dass das Material und der Aufbau die Fasern abfangen würden und den Strömungsverhältnissen in der Waschmaschine standhalten könnten. Die Umsetzung eines Köcherfliegenfilters ist momentan noch zu komplex. Andere biologische Vorbilder lassen sich etwas einfacher übertragen – daran wird bei Fraunhofer gerade gearbeitet.

Dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, die biologischen Filtrationsmechanismen weiter zu studieren und an ihrer Realisierung in Technik zu arbeiten. Daher werde ich meine Promotion ab diesem Jahr an der Universität Köln in Zusammenarbeit mit Fraunhofer UMSICHT bionischen Filtrationskonzepten widmen. Davon könnten Kläranlagen, industrielle Filter und Reinigungsanlagen in den Meeren profitieren. Auch zum Thema Mikroplastik bin ich weiter forschend aktiv, war am Runden Tisch Meeresmüll beteiligt und zu Diskussionsrunden eingeladen. Da merkt man besonders, dass das Bedürfnis, der Lage Herr zu werden, heute sehr groß ist.

Wie gut stehen aus Ihrer Sicht die Chancen, der Problematik Herr zu werden? Welche anderen Ansätze außer Ihrem eigenen sehen Sie als erfolgversprechend an?

Das zu bewerten, ist nicht einfach. Viele Fragen zu Mikroplastik sind unbeantwortet, und eine Risikoabschätzung ist bisher nicht möglich. Fakt ist aber, dass der Verlust von Kunststoffen in die Umwelt reduziert werden muss. Da das Problem sehr komplex ist, Kunststoffe global verteilt sind und viele Akteure beteiligt sind, müssen wir das Problem gemeinsam in den Griff bekommen. Der Konsument in seinem Umgang mit Plastik, dem Verständnis darüber, dass er es bei Kunststoff mit einem Wertstoff zu tun hat und sich entsprechend verhält. Die Politik durch Vorgaben, bestimmte Materialien und Additive nur beschränkt zu verwenden. Die Wirtschaft durch Eigeninitiative und die Verwendung hochwertiger, langlebiger und vor allem abriebfester Materialien. Und die Wissenschaft beispielsweise durch die Erforschung von Biokunststoffen, Verwertungsmöglichkeiten und Filtrationsmechanismen. Damit kommen wir wieder zur Bionik, denn nicht nur bei Filtern können wir aus meiner Sicht noch viel von der Natur lernen.

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Im Auftrag von Partnern aus der Kunststoffindustrie, Wasser- und Abfallwirtschaft sowie aus der Forschung hat Fraunhofer UMSICHT den Wissensstand zu Mikro- und Makroplastik in einer 2018 veröffentlichten Studie gebündelt. Wesentliche Erkenntnisse daraus:

  • Primäres Mikroplastik Typ A sind industriell hergestellte Kunststoffpartikel, deren Verlust bewusst in Kauf genommen oder durch Unachtsamkeit verursacht wird, zum Beispiel Microbeads in Kosmetika oder Kunststoffpellets. Primäres Mikroplastik Typ B entsteht erst durch die Nutzung, also Abrieb oder Verwitterung: Autoreifen erzeugen es, Schuhsohlen, Textilien oder Farben. Gelangen Kunststoffabfälle in die Natur und fragmentieren dort, werden sie dem sekundären Mikroplastik zugeordnet.
  • Insgesamt wurden 51 Mikroplastikquellen ermittelt: Reifenabrieb, Freisetzung bei der Abfallentsorgung, Abrieb von Bitumen im Asphalt, Pelletverluste und Verwehungen von Sport- oder Spielplätzen liegen ganz vorne. Die Freisetzung von Mikroplastik aus Kosmetik liegt auf Platz 17.
  • 78 Prozent der Abwässer in Deutschland werden durch Kläranlagen gereinigt, 22 Prozent – überwiegend Niederschlagswasser – spülen mit jedem Regen Makro- und Mikroplastik in die Ökosysteme. Kläranlagen halten je nach technischer Ausstattung bis zu 95 Prozent des zuströmenden Mikroplastiks zurück. Allerdings lagern sich die kleinen Partikel im Klärschlamm an. Es muss im Einzelfall geprüft werden, ob einer landwirtschaftlichen Nutzung die Verbrennung des Klärschlamms vorzuziehen ist.

Nachhaltigkeit steckt schon im Tätigkeitsbereich von Kärcher, da Reinigung dem Werterhalt und damit der Langlebigkeit von Maschinen und Gebäuden dient. Doch auch im gesamten Tun stellt sich das Unternehmen der Verantwortung, nachhaltig zu agieren. So soll der Einsatz von Recycling- und Biokunststoffen bis 2020 vervierfacht werden. Dazu nutzt man beispielsweise Mahlgranulat aus der eigenen Kunststoffverarbeitung sowie Regranulat aus dem Recycling von Autobatteriegehäusen oder Airbags. Für Reinigungsmittelflaschen kommen biobasierte Kunststoffe zum Einsatz. Durch die Kärcher-Hausnorm „Umweltgerechte Produkte“ werden problematische Substanzen wie Weichmacher und Flammhemmer weniger oder gar nicht mehr verwendet.

Die Geräte selbst sind recyclinggerecht konstruiert und erreichen – durch externe Probezerlegungen bestätigt – eine Wiederverwertbarkeitsrate von mehr als 90 Prozent. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Reduktion von Kunststoffverpackungen für Produkte.

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