Endlich lernen statt Wasser holen

Mit der Initiative „Sauberes Wasser für die Welt“ engagieren sich der Global Nature Fund und Kärcher für die Wasserqualität in Schwellen- und Entwicklungsländern. Das Ziel: das Thema Wasser ganzheitlich angehen. An einer Schule im ostafrikanischen Burundi kommt nun zum ersten Mal ein Kärcher Produkt zur Wasseraufbereitung zum Einsatz.

Schüler in Burundi holen Wasser an einer Kärcher Wasseraufbereitungsanlage

Ganzheitlicher Ansatz von Ab- bis Trinkwasser

Es war ein Gedanke, eine Idee, ausgesprochen in einem beiläufigen Satz. Am Ende kam ein Stein ins Rollen, der vom schwäbischen Winnenden aus erst in Afrika wieder stoppte. Genauer gesagt im ostafrikanischen Staat Burundi. Hier hat Kärcher erstmals ein Modell seiner neuen, kleinformatigen Wasseraufbereitungsanlage WPC 120 UF in ein Trinkwasserprojekt für eine Sekundarschule im burundischen Bezirk Gisozi integriert.

„Bisher hatten wir vor allem größere Geräte, die zum Beispiel nach Naturkatastrophen in Krisengebieten zum Einsatz kommen, im Programm. Der Bedarf an kleineren Geräten zur Wasseraufbereitung entstand zunächst auf dem asiatischen Markt, um die Trinkwasserqualität in einzelnen Haushalten dauerhaft zu verbessern. So kamen wir dann dazu, diese Produkte auch im Rahmen unseres Engagements für die Verbesserung der Wasserqualität in ärmeren Ländern einzusetzen“, erinnert sich Carolin Häfner, Corporate Citizenship Specialist bei Kärcher. Seit neun Jahren betreut sie in Kooperation mit dem Global Nature Fund (GNF) verschiedene Projekte rund um das Thema Wasser, gemeinsam wurde 2012 die Initiative „Sauberes Wasser für die Welt“ gegründet.

In deren Rahmen wurden in Zusammenarbeit mit den örtlichen Gemeinden Pflanzenkläranlagen, sogenannte Grünfilter, zur ökologischen Klärung von Abwässern in Ländern wie Kolumbien, Mexiko und Jordanien gebaut. Seit 2019 fließen zusätzlich finanzielle Mittel in den Bau von Trinkwasserbrunnen. Nun wurde mit der Wasseraufbereitungsanlage WPC 120 UF zum ersten Mal ein Produkt von Kärcher und damit auch technisches Know-how eingebunden, um das Thema Wasser ganzheitlich anzugehen – und zwar im zentralafrikanischen Burundi. Eine Premiere, die Carolin Häfner vor neue Herausforderungen stellte: „Normalerweise wird die Auswahl der Projekte, die wir finanziell unterstützen, in kleiner Runde mit dem GNF abgestimmt. Jetzt waren erstmals auch Kollegen aus dem Produktmanagement und der Anwendungstechnik dabei. Zusätzlich haben wir uns mit der Logistik beschäftigen müssen und wie wir die Anlage in Burundi in Betrieb nehmen.“

Die Sekundarschule im zentralburundischen Bezirk Gisozi in der Provinz Mwaro

Wasseraufbereitung ohne Strom

Für das Pilotprojekt war die Sekundarschule im zentralburundischen Bezirk Gisozi in der Provinz Mwaro gut geeignet. Hier wurde bereits kurz zuvor eine Wasserinfrastruktur mit Dachrinnen und einem 5.000-Liter-Regenwassertank fertiggestellt. Das dort gesammelte Wasser wird gefiltert und zu einer öffentlichen Stelle zum Händewaschen mit acht Wasserhähnen gepumpt. Auch an zwei Toilettenblöcken – einer für Jungen und einer für Mädchen – wurden je zwei Wasserhähne angebracht und an die Wasserversorgung angeschlossen.

Im November 2021 wurde dann zusätzlich das Kärcher Wasseraufbereitungssystem WPC 120 UF installiert, um die Qualität des Trinkwassers zu verbessern. Das System funktioniert ohne Strom – eine wichtige Voraussetzung in Ländern ohne flächendeckende Energieversorgung wie Burundi. Das 4-stufige Filtersystem, bestehend aus Partikelfilter, Aktivkohlefilter und Ultrafiltrationsmembran, hält Keime, Chlor, Schwermetalle und weitere Rückstände zurück, die Mineralien im Wasser bleiben erhalten. Das System funktioniert über Druck, 1,5 Bar sind nötig. Entsprechend hoch, circa 15 Meter, muss der Wassertank sein, damit dieser Druck entsteht.

Hilfe auf Augenhöhe

In Zusammenarbeit zwischen dem GNF und Kärcher konnten in Burundi seit 2018 insgesamt drei Trinkwasserprojekte in verschiedenen Schulen sowie eine Grünfilteranlage zur Abwasserreinigung in einem Mädcheninternat realisiert werden. Was eine sichere Wasserversorgung für Menschen in ärmeren Regionen der Welt bedeuten kann, weiß Thies Geertz nur zu gut. Er arbeitet beim GNF und seit vielen Jahren eng zusammen mit der Nichtregierungsorganisation (NGO) Biraturaba in Burundi und hat auch das Pilotprojekt zur Wasseraufbereitung als Mittler betreut.

„Das Land kann die finanziellen Mittel nicht aufbringen, um Schulen mit Trinkwasser zu versorgen. Es ist permanente Katastrophenhilfe, die wir leisten“, erzählt der Diplom-Biologe. Darum ist das Ziel von Geertz, die Arbeit der NGO auszubauen, sie mit der Verwaltung zusammenzubringen, um so in Eigenverantwortung eine regionale statt vereinzelte Hilfe zu ermöglichen. Denn die Wirkung, die mit sehr geringen Mitteln für den Zugang zu sauberem Trinkwasser erreicht werden kann, sei „enorm“. Davon zeugen auch Fotos, Videos und Berichte, die Geertz von den Menschen vor Ort erhält.

Die Eindrücke bekommt der Biologe in der Regel von Eddy Gahungu, der bei Biraturaba arbeitet. Als Verantwortlicher für die lokale Organisation in Gisozi kennt er die Menschen vor Ort und weiß über die Lebensbedingungen der rund 250 Schülerinnen und 150 Schüler Bescheid. Er steht im regelmäßigen Austausch mit ihnen, den Lehrerinnen und Lehrern sowie den weiteren Angestellten der Schule, um Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren. Der NGO-Mitarbeiter betont, wie wichtig das Projekt für die Einrichtung ist: „Das Wasserprojekt verbessert die sanitären Einrichtungen und dadurch die Lebens- und Lernbedingungen der Schüler enorm“, erklärt er.

BURUNDI

Der kleine Binnenstaat im Osten Afrikas ist ein in vielfacher Hinsicht gebeuteltes Land: Seit Jahrzehnten herrscht politische Instabilität durch Bürgerkrieg, Putschversuch und Korruption. Fast die Hälfte der 12 Millionen Einwohner leidet Hunger, der Welthunger-Index der Welthungerhilfe erklärt Burundi sogar zum ärmsten Land der Erde. Immer wieder melden verschiedene Organisationen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Ostafrika sind zudem die Folgen des Klimawandels besonders zu spüren, so auch in Burundi. Rund 100.000 Menschen sollen bereits auf der Flucht sein, weil zunehmende Überschwemmungen die Ernten immer öfter ausfallen lassen.

Lionel Niyonkuru

Wie stark sich die Lebensqualität erhöht hat, zeigt sich in den ersten Erfahrungen der Schüler wie Lionel Niyonkuru. Der 21-Jährige ist seit vier Jahren an der Schule und macht nächstes Jahr seinen Abschluss im Bereich der Sozialwissenschaften. Die Wasserbeschaffung sei in der Vergangenheit anstrengend, zeitintensiv und unhygienisch gewesen, erzählt er. „Wir mussten Wasser aus einem kleinen Fluss holen, der weit von hier entfernt ist. Wir fühlten uns müde, wenn wir auf dem Rückweg zur Schule mit einem Kanister auf dem Kopf den Hügel hinaufkletterten.“ Und das sei kein Einzelfall. In Rweza, wo er die Grundschule besuchte, habe es nur einen Wasserhahn gegeben, den sich die Schule mit Hunderten Haushalten in der Umgebung teilen musste. Entsprechend froh ist Lionel über die jüngsten Entwicklungen. „Wir nutzen das jetzt vorhandene saubere Wasser zum Reinigen der Klassenzimmer, zum Händewaschen und für die Hygiene in den Toiletten. Auch im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie hilft es uns bei der Einhaltung von Hygienerichtlinien.“

Nadine Niragira

Seine Klassenkameradin Nadine Niragira, ebenfalls seit vier Jahren an der Schule, ist genauso begeistert von dem Ergebnis des Projekts. „Dieses Wasser hat mein Leben wirklich verändert. An dem kleinen Fluss, an dem wir Wasser holten, mussten wir Schlange stehen. Jetzt ist es problemlos möglich, sauberes Trinkwasser zu bekommen, ohne weite Strecken zurücklegen zu müssen.“ Um diese langen Wege nicht alleine gehen zu müssen, hatte Jean Bosco Manirakunda, der Präsident der Schule, sogar Wasserholer angestellt. „Aber jetzt brauchen wir sie nicht mehr, weil das Wasser hier in unserer Schule zur Verfügung steht“, erklärt er. Hygiene und sanitäre Einrichtungen in Klassenzimmern und Toiletten seien dank des Projekts nun die neue Realität. In ihrer Schule können sich die Schülerinnen und Schüler endlich auf das Wesentliche konzentrieren – oder, wie Nadine Niragira es beschreibt: „Mein Ziel ist es, zu lernen und nicht Wasser zu holen.“

Sicherheit der Wasseranlage hat oberste Priorität

Damit es auch in Zukunft vorrangig um die Ausbildung geht, treffen die Schulverwaltung und Biraturaba weitere Vorkehrungen, denn Wassermangel ist ein Problem, das nicht nur die Schulen betrifft. „Im gesamten Bezirk gibt es keine Wasserleitung, und die Bewohner verwenden Wasser aus Quellen oder Regenwasser“, sagt Jean Bosco Habarugira, ein für Biraturaba tätiger Ingenieur. Außerdem haben von den 24 Schulen im Gisozi-Distrikt nur drei eine Wasserversorgung. „Wir stehen in Kontakt mit dem GNF und anderen Partnern, um Wasseranschlüsse zu schaffen, damit diese Schulen mit sauberem Wasser versorgt werden können“, ergänzt Eddy Gahungu, der für die Überwachung und Kontrolle des Kärcher Wasserprojekts zuständig ist.

Und diese ist auch nötig, denn unbekannte Täter hatten in einer Nacht den Tank teilweise beschädigt, erzählt der Schuldirektor. „Nach dem Zwischenfall hat Biraturaba den Bereich, in dem sich der Tank befindet, eingezäunt und ein Tor mit einem Vorhängeschloss angebracht. Die Schule hat einen Wachmann eingestellt, um die Sicherheit der teuren Infrastruktur und der gesamten Schule zu gewährleisten“, berichtet Manirakunda. In Zukunft kümmert sich die Schule selbst um die Verwaltung, den Schutz und die Instandhaltung der Wassersysteme, bleibt aber im engen Austausch mit der NGO. Sein Ziel sei es, sicherzustellen, dass die 1993 gegründete Schule sich fortlaufend weiterentwickelt und der Unterricht im Vordergrund stehen kann, erklärt der Direktor.

Weitere Trinkwasserprojekte geplant

Die Freude der 400 Mädchen und Jungen der Schule bekommt auch Carolin Häfner mit. Gut ein Jahr nach Start des Projekts in Deutschland sieht sie nun die Bilder der glücklichen Gesichter in Burundi. Hinter ihr liegen viele Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt. „Wenn man hier in seinem Büro sitzt, weiß man gar nicht, wie viel Aufwand dahintersteckt. Ich habe gelernt, dass sehr viel Vorarbeit und Koordination geleistet werden müssen.“ Beim Blick auf die Fotos weiß sie, dass sich das mehr als gelohnt hat. „Wenn Sie hier einem Jugendlichen sagen: ‚Hurra, wir haben ein neues Waschbecken!‘, wird er Sie verständnislos angucken. Die Menschen in Burundi empfinden eine ganz andere Freude, weil es für sie eine viel größere Bedeutung hat. Genau darum mache ich diesen Job.“

Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt plant Kärcher, weitere Wasseraufbereitungsanlagen in Burundi und anderen Ländern zur Verfügung zu stellen.