Kunststoff im Wandel der Zeit

Plötzlich war alles aus Plastik, damals in den 1950er-Jahren. Das neue, vielseitige Material war günstig und ob seiner Langlebigkeit beliebt. Schon bald wurde klar, dass darin nicht nur Vorteile stecken und Recycling eine wichtige Aufgabe sein würde. Inzwischen sieht sich Kunststoff einiger Kritik ausgesetzt, aber viele Anwendungen sind ohne den Werkstoff nicht realisierbar. Und so manche Alternative, die Nachhaltigkeit für sich reklamiert, belastet die Umwelt auf andere Weise. Auf den Spuren eines viel diskutierten Materials.

Kunstoff im Wandel der Zeit

Woher wir kommen … und wohin wir gehen

Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff. Während Massenware nur rein sein muss, also keine Giftstoffe enthalten darf, ist technischer Kunststoff hochkomplex. Er muss mechanische Anforderungen und gesetzliche Rahmenbedingungen erfüllen. Wo Einsparen leicht fällt, wo Material reduziert oder Rezyklat eingesetzt werden kann, ist also nicht so einfach zu ermitteln, wie es scheint. Fakt ist: Vergangenheit und Gegenwart halten viele Hausaufgaben bereit.


Rückblick: Plastik ist leicht

Rückblick: Plastik ist leicht!

Die unumschränkte Plastikbegeisterung Mitte des 20. Jahrhunderts mag heute für manch einen nicht leicht zu verstehen sein. Blickt man tiefer, so wird klar, dass die Euphorie durch eindeutige Vorteile begründet war. Metalle waren bis dahin der Baustoff für Geräte und Maschinen jeglicher Art – und Metalle waren teuer und schwer. Da war ein Werkstoff, der beständig ist, isolierend, schall- und wärmedämmend, dazu leicht und günstig, gleichzusetzen mit einer technischen Revolution. Seine Eigenschaften und die Eignung für die Massenproduktion machten Kunststoff zum Material, aus dem das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde.

Daniel Carmine Manocchio, Leiter Materiallabor bei Kärcher, erklärt: „Bei jeder neuen Technologie gibt es einen Hype, wenn sie in die breite Masse ausgerollt wird. Man denke nur an die Träume vom atomgetriebenen Privat-Pkw oder die aktuelle Welle in puncto künstlicher Intelligenz. Am Ende landet die Begeisterung aber wieder in der Realität.“ Auch für Kärcher war Kunststoff ein Schritt auf dem Weg zu ergonomischen, zukunftsfähigen Produkten. Der erste mobile Hochdruckreiniger HD 555 aus dem Jahr 1984 brachte noch satte 15 Kilogramm auf die Waage. So war zwar ein mobiler Einsatz möglich, komfortabel für den Anwender war die Handhabung aber nicht. „Kunststoff brachte die Möglichkeit, das Gewicht deutlich zu reduzieren. Heute wiegen solche Produkte zwischen fünf und zehn Kilogramm“, so Manocchio.

Ein anderer Aspekt, der in der frühen Phase die Menschen für Kunststoff begeisterte, war die Langlebigkeit, was damals im Sinne von Werterhalt ein klarer Pluspunkt war.

 

Einblick: die Sache mit dem Recycling

Die erste Recyclingwelle kam schließlich Anfang der 2000er-Jahre, schlicht, weil das Einmahlen und Beigeben von Produktionsresten zu einer Material- und damit zu einer Kostenersparnis führte. Dennoch ist die Wiederverwertung – sei es durch Umschmelzen sortierter Abfälle oder chemisch durch Pyrolyse – noch immer teuer und nicht in der Breite etabliert. „Kunststoff hat im technischen Bereich so eine große Bedeutung, weil seine Eigenschaften durch Anpassungen in Aufbau und Zusammensetzung gezielt verändert werden können“, so Manocchio. „Die akribische Trennung verschiedener Kunststoffe ist bei der Wiederverwertung also sehr wichtig, da sonst die Eigenschaften des Rezyklats drastisch verschlechtert werden. Für technische Bauteile ist das heikel.“ Neuware ist oft nicht nur hochwertiger, sondern auch günstiger als Rezyklate.

Manocchio beobachtet dennoch Bewegung im Markt: „Jeder versteht, dass der Verbrauch einer Flasche Shampoo pro Woche ein Problem ist. Dass aber auch bei einem Hochdruckreiniger Kunststoff im Spiel ist und Elektrogeräte generell keine Wegwerfprodukte sind, kommt immer stärker in den Fokus.“ Kärcher hat seit 2012 den Anteil an Recyclingkunststoffen in seinen Geräten um den Faktor 4 erhöht. Seit Ende 2018 nutzt das Unternehmen die Technyl4Earth-Technologie für die Herstellung von Strahlrohren (siehe Abschnitt: Aus Alt mach Neu). Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie werden an allen Stellen weitere Schrauben gedreht, bis hin zur Reduktion von Verpackungsmaterial (siehe Abschnitt: Weniger ist mehr).

Einblick: die Sache mit dem Recycling
Zukunft: Was ist nachhaltig?

Zukunft: Was ist nachhaltig?

Vermutlich stellt sich insgeheim jeder Mensch die Frage, welches Verhalten am Ende wirklich einen Beitrag zum Schutz unseres Planeten leistet. „Dabei ist die Sachlage auch bei einfachsten Anwendungen denkbar komplex“, stellt Manocchio fest. „Wird eine Einkaufstüte aus Papier nur einmal benutzt, weil sie beispielsweise nass geworden ist und reißt, so wäre eine mehrfach verwendete Plastiktüte nachhaltiger.“

Bei Kärcher setzt man darauf, bereits in der Entwicklung von Produkten Nachhaltigkeit im Blick zu haben. Dafür gibt die Ökodesign-Richtlinie der EU einen gesetzlichen Rahmen vor, der teilweise auch global übernommen wird. Ein Kerngedanke ist Design for Recycling, der auch dem Image entgegenwirkt, dass Nachhaltigkeit nur teuer ist. „Wenn ich den Materialeinsatz reduziere, ist das günstiger. Wenn ich Verbundwerkstoffe durch Recyclingwerkstoffe ersetze, ist das auf lange Sicht günstiger“, schildert Manocchio. „Wenn ich, als kleines Detail, den PE-Beutel als Verpackung für Zubehör weglasse, ist das günstiger. Und all das ist gut für die Umwelt.“ Ein anderes zentrales Stichwort ist die von der EU angestrebte Kreislaufwirtschaft, die ebenfalls auf die Prinzipien Vermeiden, Verringern und Wiederverwenden von Materialien setzt (siehe Interview mit Leo Stein, Referent Umwelt- und Stoffpolitik beim ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V.).

Damit die Welt für die nachfolgenden Generationen lebenswert bleibt, ist letzten Endes jedes Unternehmen und jeder einzelne Mensch gefordert, sein Verhalten zu verändern. Daniel Carmine Manocchio resümiert: „Der Weg in die Zukunft besteht aus unfassbar vielen, unfassbar kleinen Schritten, die unfassbar viele Menschen gemeinsam gehen müssen. Wir sollten damit beginnen und uns nicht von der Komplexität entmutigen lassen.“

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„Partnerschaften sind der Weg in die Zukunft.“

Im Gespräch mit Leo Stein (ZVEI), Referent Umwelt- und Stoffpolitik ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V.

Herr Stein, was sind aus Ihrer Sicht die relevanten Trends mit Blick auf Nachhaltigkeit für Unternehmen?

Da gibt es jede Menge, ich beschränke mich einmal auf die institutionelle Seite. Der Circular Economy Action Plan der Europäischen Kommission macht Unternehmen für die nächsten Jahre einige Vorgaben. Es geht darin unter anderem um eine nachhaltige Produktpolitik, um Ökodesign und um das Recht auf Reparatur. An diesem Aspekt lässt sich die Komplexität der Zusammenhänge sehr gut aufzeigen: Wer darf reparieren, sodass die gesetzlichen Pflichten des Herstellers in puncto Gewährleistung nicht konterkariert werden? Wir brauchen neue Ideen und Ansätze, um weiterzukommen – und die sind auch in der Mache.

Was genau ist denn in der Mache?

Verschiedene Unternehmen arbeiten an neuen Recyclingverfahren, zum Beispiel für sekundäre Kunststoffe. Rezyklate aus chemischen Verfahren sind rein, aber noch recht teuer. Mechanische Verfahren bringen nicht immer die Qualität, die für die Produktsicherheit erforderlich ist. Insofern wird es wohl in Zukunft einen Mix aus Methoden und Materialien geben, denn das Prinzip „One size fits all“ gibt es in der Industrie nicht.

Andere Ideen zielen darauf ab, den Einsatz von Material zu reduzieren – nicht nur in Sachen Kunststoff. Laut einer EU-Verordnung müssen einem Produkt alle relevanten Daten beigefügt werden, was Unmengen an Papier und Ressourcen verbraucht. Im ZVEI gibt es hierzu ein spannendes Projekt, das digitale Typenschild. Es stellt Unternehmen die Informationen standardisiert im Web zur Verfügung.

Für Sie persönlich: Was brauchen wir, um die Zukunft nachhaltig zu gestalten?

Erstens zeigt sich schon jetzt, dass Partnerschaften Fortschritte bringen. Die Hersteller von Elektronikgeräten, die Recyclingwirtschaft und die Hersteller von Primärkunststoffen können gemeinsam viel erreichen. Zweitens sollten wir aufhören, immer nur Bedenken zu haben – in manchen Fällen sollten wir einfach machen. Und drittens sehe ich uns alle in der Verantwortung: Auch ich als Leo Stein muss mir an die eigene Nase fassen und überlegen, was ich brauche, wie ich richtig entsorge und was sich reparieren lässt.

Foto von Leo Stein, Referent Umwelt- und Stoffpolitik ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e. V.
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Weniger ist mehr: Reduktion von Verpackungen am Beispiel vom OC 3

Daran arbeitet Kärcher

Weniger ist mehr: Reduktion von Verpackungen

Verpackungen sind ein zentrales Thema, wenn es um die Einsparung von Material geht. Bislang wurden für den mobilen Outdoor-Druckreiniger OC 3 von Kärcher vier Styroporeinlagen verwendet, um das Gerät beim Transport zu schützen. Plastikmüll, der vermeidbar ist: Der Karton wurde kleiner gestaltet und eine Einlage aus Pappe entwickelt. Die Verpackungsgröße wurde so um 20 Prozent reduziert, es ist kein Plastik mehr enthalten – und die Kosten für die Verpackung gingen um 45 Prozent nach unten.

Aus Alt mach Neu: Airbags und Ozeanplastik

Als eines der ersten Unternehmen nutzt außerdem Kärcher die Technyl4Earth-Technologie des Herstellers Domo in der Serienproduktion für den Endverbrauchermarkt. Das Rezyklat wird aus Geweben zurückgeführter Airbags und Restmaterial aus deren Fertigung gewonnen. Damit die Strahlrohre für Hochdruckreiniger dem hohen Druck standhalten können und insgesamt widerstandsfähig genug sind, wird das Polyamid mit 30 Prozent Glasfasern verstärkt.

Zudem forscht Kärcher intensiv an der Nutzung von Ozeanplastik. Die größte Menge des Kunststoffs, der in den Weltmeeren verbreitet ist, sind Verpackungsmaterialien wie PET, PE, PP und PVC. Diese Sorten sind aufgrund ihrer Eigenschaften für Kärcher kaumverwendbar, werden aber trotzdem im Blick behalten.

 


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